Wer ist Japhy Ryder?

Ingrid Rosenberg-Harbaum über „Green Beat. Gary Snyder und die moderne amerikanische Umweltbewegung“.

Für den 1930 in San Francisco geborenen Gary Snyder hat die Schönheit und Verletzlichkeit wilder Natur auf dem Planeten Erde keine wirkliche politische Lobby, außer vielleicht in Gedichten mit ihren jähen Gedankenblitzen, assoziativen Volten und verblüffenden Bildern. Schon früh machte er den Umweltschutz zur Lebensaufgabe, setzte Buddhismus und Dichtung als Mittel ein und brachte in seinen Essays und Interviews ökologische Anliegen zur Sprache.

Mit „Green Beat. Gary Snyder und die moderne amerikanische Umweltbewegung“ veröffentlichte der renommierte Wissenschaftsverlag Vandenhoeck & Ruprecht im Frühjahr 2020 als Band 22 der Reihe „Umwelt und Gesellschaft“ die von Martin Spenger in deutscher Sprache verfasste weltweit erste Biographie des Pulitzerpreisträgers. Der Titel spielt auf die Teilnahme des 25jährigen am legendären Six Gallery Reading in San Francisco an, wo er 1955 mit seinem Gedicht „A Berry Feast“ die Bühne der Beat-Szene betrat. Snyder galt als besonders: diszipliniert, ernsthaft meditierend und studierend, im gemeinschaftlichen Miteinander fokussiert sich selbst versorgend, die Sprache der einfachen Leute sprechend – so wurde er bald von seinen eigenen Leuten und darüber hinaus hoch geachtet. Sein Freund Jack Kerouac gab ihm in seinem Roman „The Dharma Bums“ (dt. „Gammler Zen und hohe Berge“, 1963) als Japhy Ryder seinen Platz in der amerikanischen Literatur.

Die engen Verknüpfungen zwischen Gary Snyders Leben und bedeutenden umwelt- und gesellschaftspolitischen Ereignissen fächert Martin Spenger in drei materialreichen Abschnitten auf: die Kapitel „RipRap: Grundsteine für ein Umweltbewusstsein, „Toward Climax: Umweltaktivismus“ und „Poesie und A Place in Space: Westküstenidentität und Lebenswerke“ stellen Snyder als Praktizierenden interdisziplinärer Tiefenökologie, des Bioregionalismus und des Panhumanismus, einer Wissenschaft vom Leben, die das Nichtmenschliche einbezieht, vor. Es geht um früh geweckte Naturleidenschaft, um Snyders Sonderrolle innerhalb kalifornischer Gegenkultur, um sein Studium früher japanischer und alter chinesischer Kultur wie in der Lyrik niedergelegt und den lange Jahre währenden Weg zu seinem Essayband „Practice of the Wild“ (dt. „Lektionen der Wildnis“, 2011).

Der Umwelthistoriker Martin Spenger betrachtet sein Buch als „Umweltbiographie des Gary Snyder“ und leistet damit einen Beitrag zum „Greening of the Humanities“. Dem Leser vermag es zu vermitteln wie direkt erlebte Interaktion mit Natur als Moment, fernöstliche Philosophien und politische Entwicklungen dem Lauf des Lebens dieses nordamerikanischen Dichters des 20. Jahrhunderts Richtung wiesen und Gary Snyder als Kalifornier, Literat und Universitätslehrer zu einer zentralen Figur der amerikanischen Umweltbewegung wurde.

Martin Spenger: Green Beat. Gary Snyder und die moderne amerikanische Umweltbewegung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2020. 239 Seiten, 60 Euro.

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