Was ist besser?

Maria Knissel über „Das zweitbeste Leben“ von Tayari Jones.

„Das zweitbeste Leben“ ist ein wunderbarer Roman über eine bzw. zwei Familien. Erzählerinnen sind zwei Töchter eines Vaters, aber verschiedener Mütter. Bunny Chaurisse Witherspoon ist „offiziell“ und weiß nichts von ihrer Schwester, Dana Lynn Yarboro. Dana hingegen wächst mit dem Wissen auf, dass sie und ihre Mutter nur die Zweitfamilie sind, und dass sie das Geheimnis keinesfalls lüften darf. Danas Mutter und der gutaussehende, sorgende Onkel Raleigh (ein wunderbarer Mensch, von der man sich immer wünscht, dass er sich mit Danas Mutter zusammentut), spielen das Spiel mit und halten die Fassade aufrecht.

Was ist besser? An zweiter Stelle zu stehen, aber zu wissen, wie die Dinge stehen und damit umgehen zu können? Oder in dem Glauben aufzuwachsen, ein Einzelkind zu sein und spät – zu spät! – zu erfahren, dass man eine Schwester hat und die Mutter den Mann mit einer anderen Frau teilt?

Dana ist es, die mit dem Wissen auch die Macht hat, etwas zu verändern. Aber natürlich trägt sie auch eine große Wut in sich, die im Lauf der Jahre immer größer wird und sich Bahn bricht. Der Roman hat mich sehr berührt. Er ist interessant „gebaut“ – aber da möchte ich nicht spoilern. Alle Personen sind Afroamerikaner. Das spielt für die Handlung keine entscheidende Rolle und wird auch nicht groß thematisiert oder problematisiert. Gerade deshalb fand ich es spannend.

Tayari Jones, übersetzt von Britt Somann-Jung: Das zweitbeste Leben. Arche Verlag Zürich, 2020. Hardcover, 352 Seiten, 22 €.

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