Keine Angst vor der Zukunft

Daniele Dell’Agli über „Unsere Welt neu denken“ von Maja Göpel

Bald 50 Jahre ist es her, dass der Club of Rome mit den „Grenzen des Wachstums“ seine erste kritische Bestandsaufnahme der desaströsen Enthemmung von Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum vorstellte, die seitdem aufgrund der hartnäckigen Ignoranz von Politik und Industrie beständig an Brisanz gewinnt. Mittlerweile müssen ihre Szenarien dahingehend korrigiert werden, dass die Menschheit ohne die Härten eines Rück- oder Minuswachstums das Überleben künftiger Generationen auf dem Planeten nicht wird sichern können.

Maja Göpel, selbst Mitglied des Club of Rome und Professorin für politische Ökonomie und Nachhaltigkeitswissenschaft, hat zu diesem Thema ein denkbar aktuelles wie engagiertes Buch vorgelegt, das sie eine Einladung nennt, die sie durch direkte Ansprache des Lesers und einem sympathisch unakademischen Stil adressiert. Eine Einladung, sich dem weit verbreiteten Gefühl zu stellen, dass es so – nämlich mit unendlichem Wachstum in einer endlichen Welt – nicht mehr weiter gehen kann, und innezuhalten: Wann ist endlich genug? Und was brauchen wir wirklich? Fragen, die sich seit der Corona-Krise vielen aufdrängen, die von der Autorin jedoch schon lange zuvor formuliert wurden. Und von deren Beantwortung letztlich abhängt, ob wir eine Reduzierung und Neuausrichtung unserer maßlos hochgeschraubten Konsumansprüche überhaupt als Verzicht wahrnehmen müssen.

Auch für Laien gut verständlich führt die Autorin in die Geschichte des homo oeconomicus ein – seines auf Egoismus, Gewinnsucht und Unersättlichkeit getrimmten Charakters, wie er bis heute in den Studiengängen der einschlägigen Fakultäten eingeübt wird; sie erklärt die verheerende Logik des extraktiven Wirtschaftens sowie der auf Steigerung angelegten Produktionskreisläufe; und sie verabschiedet anhand gut belegter Beispiele jede Hoffnung darauf, man könne mit technologischem Fortschritt den zunehmenden Umweltverbrauch kompensieren.

Gegen die lähmenden Parolen von der Alternativlosigkeit des Weiter so setzt die Autorin auf die motivierenden Erfahrungen von Selbstwirksamkeit. Doch wenn man bedenkt, dass von ihren Empfehlungen als Beraterin der Bundesregierung in Umweltfragen (im WBGU) praktisch nichts in die amtliche Nachhaltigkeitsagenda eingegangen ist, fragt man sich, woher sie ihren Optimismus nimmt. Wenn sich aktuell etwas im Sinne ihrer skizzierten Alternativen zu ändern beginnt, dann ist das dem pandämisch erzwungenen Ausnahmezustand von Corona zu verdanken. Er macht uns mit dem vertraut, was in Zukunft die Regel sein wird, wenn wir nicht endlich anfangen, unsere Welt neu zu denken, um sie auch neu gestalten zu können.

Maja Göpel: Unsere Welt neu Denken – Eine Einladung. Piper-Verlag 2020, 207 S., 17,99 Euro

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