Großer Wurf

Lukas Kummers zweite Graphic Novel zu Thomas Bernhards Autobiografie.

Thomas Bernhards Autobiografie ist eine fast 600 Seiten starke, doppelbödige, mehr oder weniger fiktive Tirade über seine Kindheit und Jugend. Sie besteht aus fünf Teilen, erschienen zwischen 1975 und 1982: „Die Ursache“, „Der Keller“, „Der Atem“, „Die Kälte“ und „Ein Kind“.

Der aus Tirol stammende, in Kassel lebende Lukas Kummer, hatte 2018 bereits mit seiner Adaption von „Die Ursache“ großes Aufsehen erregt. Mit „Der Keller“ liegt nun die Fortsetzung vor. Bernhard schildert in diesem Teil die vielleicht glücklichste Zeit seines Lebens: Wie er als 15jähriger 1946 dem verhassten Gymnasium den Rücken kehrte, um eine Ausbildungsstelle in einem Kellerladen anzutreten. Erstmals in seinem Leben fühlte er sich dort als „nützliche Existenz“.

Bernhards Texte eignen sich nicht für Comics mit Sprechblasen. Deshalb hat Kummer die Textfläche konsequent auf das Wesentliche und zentrale Motive hin verdichtet und streng formalisierte Panelflächen gestaltet, um dem Rhythmus des Bernhardschen Erzählduktus‘ grafisch gerecht zu werden. Die stark stilisierten Bildreihen sind unter dem Text angeordnet, begleiten und ergänzen ihn, zeigen kleinste Nuancen in Bewegungsabläufen und Handlungen und steigern den übersteigerten Sprachduktus nochmals.

Kummers Version ist eine eigenständige künstlerische Interpretation. Als solche macht sie vor allem auch neugierig, Bernhards Autobiografie in Gänze zu entdecken. Dass Kummer das gelingt, ist nicht wenig! Die Fortsetzung mit „Der Atem“ ist geplant.

Lukas Kummer / Thomas Bernhard: Der Keller. Graphic Novel. Residenz-Verlag 2019. 104 Seiten, 22 Euro.

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