Geister und Geschichte

Bücher des japanischen Manga-Autors Shigeru Mizuki, vorgestellt von Andreas Gebhardt

Gut 1500 Seiten umfasst die Autobiografie des japanischen Manga-Künstlers Shigeru Mizuki. Die Berliner Comic-Schmiede Reprodukt hat jetzt mit „Kindheit und Jugend“ den ersten Band dieses Opus Magnum vorgelegt. Zu entdecken ist ein Comic-Zeichner und Autor, der ein vielschichtiges und umfangreiches Gesamtwerk hinterlassen hat, als er 2015 im Alter von 93 Jahren in seiner Heimat hoch angesehen starb.

Der erste Band der Autobiografie umfasst die Zeit von 1922 bis zum Pazifikkrieg, an dem Mizuki ab 1943 teilnahm und schwer verwundet wurde. Er verknüpft seine Lebensgeschichte geschickt mit der Japans im 20. Jahrhundert, mit der Showa-Ära, also den Regierungsjahren des Kaisers Hirohito von 1926 bis 1989, in denen sich der Inselstaat vom Agrarland zur militaristischen und imperialistischen Eroberungsmacht aufschwang. Er schildert das nur an der Oberfläche beschauliche Dorfleben in der Provinz, das von verrückt ausgetragenen jugendlichen Bandenkriegen, patriarchalen Strukturen, Aberglauben und wirtschaftlicher Not der Familie gekennzeichnet ist. Früh kommt Mizuki mit dem sagenhaften Yokai-Glauben an Geister und Monster in Berührung, der ihn zeitlebens prägt. Shigeru lässt einen in diese Welt eintauchen, schildert japanische Geschichte und Lebensart und erschließt dem westlichen Leser eine neue Sicht auf Japan. Während seine Figuren liebenswert karikaturistische Züge tragen, geht er bei den Hintergründen, Landschaften und Interieurs, sehr detailreich zu Werk. Mit den oft schrill-süßlichen Zeichnungen vieler Mangas hat das nichts zu tun.

Reprodukt hat bereits im vergangenen Jahr drei Mizuki-Bände herausgegeben, von denen zwei biografische Nebenlinien vertiefen: „Tante NonNon“ und seine Faszination am Geisterglauben sowie „Auf in den Heldentod“ zum Pazifikkrieg. Die 1971 in Japan erschienene Manga-Biografie „Hitler“ hat allenfalls noch historischen Wert. Der Diktator erscheint hier als Tropf mit traurigen Augen, den die Umstände zu dem gemacht haben, der er war. Weder der 2. Weltkrieg noch der Völkermord an den europäischen Juden spielen darin eine nennenswerte Rolle. Im Herbst kommt der zweite Band von Mizukis Autobiografie heraus, 2021 der abschließende Teil. Alle Bände werden in japanischer Leserichtung veröffentlicht. Man liest von hinten nach vorn. Bilder und Sprechblasen werden von rechts oben nach links unten gelesen.

Shigeru Mizuki bei Reprodukt: Kindheit und Jugend, 478 Seiten, 24 Euro / Hitler, 285 S. 18 Euro / Auf in den Heldentod, 380 S., 20 Euro / Tante NonNon, 414 S. 20 Euro.

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