Bestie Ich

Josef Kleindiensts Roman „Mein Leben als Serienmörder“. Von Thomas Bündgen.

„Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“ (Nietzsche)
In dem Roman „Mein Leben als Serienmörder“ ist der Protagonist Schriftsteller und Schauspieler, wie der Autor von Josef Kleindienst selbst. Nach einer Urlaubsreise, auf der er ein lektoriertes Manuskript verliert, beginnt er mit den Dreharbeiten in der Rolle eines Serienmörders. Nach deren Abschluss und einer Nacht mit Drogen und Alkohol, wobei er sich an die Einzelheiten ab einem bestimmten Punkt nicht mehr erinnern kann, wird er mit den Ermittlungen zu einem Prostituiertenmord konfrontiert.

Kleindienst, dessen dritte Prosaarbeit hier vorliegt, ist selbst ebenfalls als Theater- und Drehbuchautor tätig. Die Fragilität der schauspielerischen Ich-Identität z.B. im „Method Acting“ wird ihm wohlbekannt sein. Insofern zeigt sich sein Protagonist bereits bei den Dreharbeiten als Serienmörder in seinem „normalen“ Selbstbild irritiert. In einer weiteren Steigerung kann er den Verdacht, der Mörder zu sein, eigentlich nicht mehr abwehren. Eine Erinnerung an die Tat ist nicht vorhanden. Die Möglichkeit, die Prostituierte ermordet zu haben, ist nicht ausgeschlossen. Hilflos lässt der Protagonist des Romans die Ereignisse über sich ergehen. Dazu gehören die Reaktion der Boulevardpresse, die der sozialen Medien, die Einladung zu einer Talkshow und ein plötzlicher, unerwarteter Ruhm als Schriftsteller.

Identität ist ein Thema des Buches, aber auch die Unbestimmtheit des Bewusstseins. Im inneren Monolog des Ich-Erzählers werden banale Dinge – etwa über zu tätigende Einkäufe – den immer bedrohlicher werdenden Ereignissen nebeneinander und gleichgestellt.

Der Roman ist in seiner Handlung weniger ein Krimi, er schildert vielmehr eine sich stetig verdichtende Bedrohungssituation, die entfernt an Franz Kafka erinnert, aber auch satirische Elemente nutzt. Nur geht die Bedrohung nicht von den Obrigkeiten aus, sondern von den Lücken des Gedächtnisses und den Abgründen der menschlichen Natur. Der Ich-Erzähler wird in seinem freiberuflichen Alltagsleben, dem Druck der äußeren Umstände und der Möglichkeit des Bösen porträtiert. Dieses ist immer im Hintergrund da und lässt sich idealerweise – wie in diesem Roman – zu Drehbüchern verarbeiten.

Josef Kleindienst: „Mein Leben als Serienmörder“, Verlag Sonderzahl, Wien 2022, 182 S., 20 Euro

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