Töne zu Farben zu Formen

Andreas Gebhardt über „Goldjunge“, die Graphic Novel über Beethovens Jugendjahre von Mikael Ross.

Das Beethoven-Jahr 2020 ist ja leider weitgehend im Lockdown verpufft. Die Graphic Novel „Goldjunge“ von Mikael Ross hingegen nicht. Sie erschien passend dazu und verdient nach wie vor große Aufmerksamkeit. Ich höre Beethoven sehr lange und weiß eigentlich nur, was alle wissen: In Bonn geboren, irgendwann stocktaub, neun Sinfonien, eine Oper, 32 Klaviersonaten. Durch dieses Buch gewinnt der Komponist auf sehr eigenwillige Weise Kontur. Keine Ahnung, ob sich „Beethovens Jugendjahre“ (Untertitel) so im Detail abgespielt haben. In Umrissen wahrscheinlich schon.

Bereits auf der ersten Seite skizziert Ross seinen Helden auf wenigen Panels: irgendwie „frech“, cartoonhaft, karikaturistisch, aber ohne ihn zur Karikatur zu degradieren. Da stapft der Siebenjährige wütend durch den Schnee und grummelt: „Man müsste…man müsste es umdrehen. Dass man nicht immer von anderen gesagt bekommt, was zu tun ist, sondern… dass man es selber sagt. Ja Genau! Selbst den Ton angeben.“ Das ist das Leitmotiv. Beethoven, das frühreife, selbstbewusste eigenwillig-willensstarke Wunderkind, reizbar, schnell außer sich, aber hochsensibel und voller Einfühlung. Beethoven, der bereits mit seinen ersten Kompositionen die Leute um den Verstand bringt, der weiß, dass er besonders begabt ist und zu Höherem berufen. Ross spannt den zeitlichen Rahmen bis zum Jahr 1775, wo Beethoven in Wien seinen ersten großen Erfolg feiert.

Besonders anrührend ist, wie Ross die Wirkung von Beethovens Musik zu grandios wimmelnden Farbtableaus verdichtet: Töne zu Farben zu Formen. Wie Musik mit enormer Wucht farbwirbelig explosionsartig und impulsiv aus dem Klavier sprudelt, wirbelt, platzt, sich in Farbschlieren ergießt und ausbreitet und direkt ihre Wirkung auf die Seele der Zuhörer entfaltet – das ist äußerst stark visuell inszeniert. Den Ton angeben: Der Comic ist voller Geräusche, dargestellt durch dynamische Soundwords in unterschiedlichen Schriften, um alle möglichen Emotionen zu erfassen. Die körperlichen Leiden sind ein weiteres Leitmotiv: Koliken, Tinnitus, die beginnende Taubheit und – natürlich – Beethovens außerordentliche frühreife Musikalität.

Der Zeichenkünstler Ross setzt mit großer künstlerischer Freiheit einem der allergrößten Komponisten ein liebenswürdiges, temporeiches und in sich stimmig interpretiertes Denkmal – das alles ohne ihn zu feiern oder plump verehrend zu überhöhen. Sehr empfehlenswert!

Mikael Ross: „Goldjunge – Beethovens Jugendjahre“, Avant-Verlag 2020, 189 Seiten 24 Euro.

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