Jürgen Röhling über „SoKo Heidefieber“ von Gerhard Henschel
Abscheuliche Morde, sadistische Quälereien, Folterungen und Geiselnahmen peinigen das Land – praktisch jede Stadt und Region in Deutschland hat ihre Ekelmorde mit Eispickel, Kettensäge und Hammerbeil, Tendenz zunehmend. Die Täter aber leben ungeschoren unter uns, ja sie verdienen mit ihren Verbrechen sogar Geld. Denn sie sind Autorinnen und Autoren von Regionalkrimis, in denen ahnungslose Opfer von wütenden Wölfen zerfleischt, in hohlen Baumstämmen zerquetscht oder in der Heimsauna gebrutzelt werden. Jedenfalls war es so bisher! Denn nun ist einer ausgezogen, dem Elend der Regio-Krimis ein Ende zu bereiten. Ein Über-Mörder, ein Mörder der Mörder, ein Meta-Mörder tötet Regio-Krimi-Autoren nach ihren eigenen Rezepten. „Angewandte Literaturkritik“ nennt das der Schriftsteller Frank Schulz (eine von mehreren realen Romanfiguren), und wird prompt für diesen Zynismus massiv angefeindet. Von der Presse verfolgt landet er in Griechenland, rettet sich über die Grenze nach Albanien, nur um dort – man ahnt es – vom Regen in die Traufe zu kommen.
Vor uns liegt der Roman „SoKo Heidefieber“ von Gerhard Henschel, Autor der autobiographischen Martin-Schlosser-Reihe, aber auch von Wanderbüchern und Krimis, an die der „Überregionalkrimi“ anschließt. Henschel – das heißt natürlich die von ihm zum Zweck der Regionalkrimiautorenausmerzung ins Leben gerufenen Kommissare Gerold Gerold und Ute Fischer (love story inclusive) leiden an den Regiokrimis, die sie im Zuge ihrer Ermittlungsarbeit lesen müssen, an deren schlechtem Stil und den unerträglichen Reihungen möglichst brutaler und sadistischer Gewalttaten – die, genüsslich zitiert, gerne auch ins Komische umschlagen. Und so geht ein Regioautor nach dem anderen über die Wupper. Spaßig, irgendwann vorhersehbar und fast ermüdend – wäre der Autor nicht Gerhard Henschel. Der schafft es immer wieder, die Handlung ins Mega-Absurde zu schrauben. Da ist der schon erwähnte Frank Schulz, der von der Boulevardpresse verfolgt wird und in die Fänge der griechisch-albanischen Mafia gerät. Diese schwungvolle Nebenhandlung, mit liebevoll recherchierten Details gewürzt, gefällt durch besondere Unwahrscheinlichkeit und eine Überfülle dramatischer Last-minute-Rettungen. Und es passiert noch viel mehr: Die revolutionär gesinnte Westberliner Kneipenszene der achtziger Jahre lebt noch, ein Kommissar will dichtend das Computerspiel Fortnite (gibt’s tatsächlich) zur Strecke bringen, und die aus Ostfriesland stammende Kommissarin gibt Weisheiten in astreinem Plattdeutsch von sich. So macht Morden Spaß!
Gerhard Henschel: SoKo Heidefieber. Ein Überregionalkrimi. 284 Seiten. Hamburg: Hoffmann und Campe 2020. 18 Euro.