„Ich lass mir den Mund nicht verbieten“

Andreas Gebhardt über ein neues Buch, das bekannte und vergessene Journalisten würdigt

Wer kennt noch Christian F. D. Schubart (1739-1791), der in seiner „Deutschen Chronik“ gegen Adel und Klerus polemisierte und dafür von 1777 bis 1787 strengste Kerkerhaft verbüßte? Oder den irischen Kriegsreporter William Howard (1821-1907) Russel, der mit seinen ungeschönten Schilderungen von Kriegsschauplätzen die britische Regierung auf die Palme brachte, weil er sich gegen deren offizielle Verlautbarungen stellte? Auch die Journalistin Maria Leitner (1892-1942) ist vergessen. Sie ging zwischen den Weltkriegen in die USA und verfasste persönliche Reportagen, in denen sie die Kehrseiten des American Dream bloßlegte. Nicht zuletzt hat der „Aufdecker der Nation“, der österreichische Journalist Alfred Worm (1945-2007), Pressegeschichte geschrieben als er 1980, wenn auch mit unlauteren Methoden, einen Korruptionsskandal in Wien aufdeckte und damit etlichen Leuten aus Politik und Wirtschaft empfindlich auf die Füße trat. Das sind nur einige Beispiele aus vier Jahrhunderten, 57 weitere versammelt der Band „Ich lass mir den Mund nicht verbieten“! und würdigt sie als „Wegbereiter der Pressefreiheit und Demokratie“ (Untertitel), etwa Heinrich Heine, Emile Zola, Joseph Pulitzer, Rudolf Augstein oder Günter Gaus.

Ein Teil der Porträts geht auf eine Artikelsammlung zurück, die vor 20 Jahren in der Medienzeitschrift „Message“ erschien. Somit spielen die ersten 20 Jahre des 21. Jahrhunderts hier leider keine Rolle, eine Fortführung wäre wünschenswert gewesen. Seitdem sind Pressefreiheit und Demokratie ja weltweit bekanntlich immer stärker unter Druck geraten. Es gibt schließlich nur noch sehr wenige Länder, in denen kritische Journalisten und Blogger wirklich ungehindert ihrer Arbeit nachgehen können, wie man jährlich auf dem Index der Pressefreiheit der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ nachlesen kann. Jüngstes prominentes Beispiel ist der vergiftete russische Politiker und Blogger Alexei Nawalny.

Gleichwohl: Zukunft kommt von Herkunft. Von daher ist es gut, dass die Herausgeber in Zeiten von Fake News, gezielten Falschmeldungen, Repressalien und Ermordung von Journalisten den Jahrhunderte währenden Kampf um Meinungs- und Pressfreiheit nachzeichnen, auch wenn man die eine oder andere Persönlichkeit vermissen mag.

„Ich lass mir den Mund nicht verbieten!“ Journalisten als Wegbereiter der Pressefreiheit und Demokratie. Hg. von Michael Haller und Walter Hömberg, 272 S. 24 Euro

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