Hanebüchener Unsinn

Helen MacCormac ärgert sich über Meike Stoverocks Sachbuch „Female Choice“.

Nur einmal, habe ich ein Buch hochkant aus dem Fenster geschmissen. Mein Exemplar von D. H. Lawrences „Sons and Lovers“ landete auf einem englischen Rasen und welkte vor sich hin, bis sich dessen jemand erbarmte und es in den Mülleimer warf. Mit Anfang 20 war ich noch nicht in der Lage, Lawrences Meisterwerk in einer anderen Zeit zu verorten oder seinen Gedankengängen zu Sexualität und Gesellschaft zu folgen. Ich hatte es längst vergessen, aber das befreiende Gefühl von damals holte mich plötzlich ein, als ich das Buch „Female Choice – Vom Anfang und Ende der männlichen Zivilisation“ von Meike Stoverock entschlossen zuklappte ohne es zu Ende zu lesen.

Der Titel hatte mich neugierig gemacht. Female Choice, zu Deutsch Weibchenwahl, ist ein Fachbegriff aus der Biologie und beschreibt die in der Natur weitverbreitete sexuelle Selektion durch wählerische Weibchen. Der Klappentext verspricht eine Abhandlung darüber, wie sexistische Gesellschaftsstrukturen entstanden sind und wie sich die heutige Gesellschaft ändern muss, wenn Frauen und Männer eine gemeinsame Zukunft haben sollen.

In der Einleitung heißt es dann: „Es sind mehrheitlich Männer, die Kohlekraft und Verbrennungsmotoren unterstützen, gegen Feminismus, Vegetarismus und die Aufnahme von Flüchtlingen sind. Das Erstarken rechter Kräfte geht vor allem auf Männer zurück, etwa durch die Wahl von Donald Trump, Jair Bolsonaro oder der AfD.“ Bereits hier wird deutlich, dass die promovierte Biologin keine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema sucht, sondern eine populärwissenschaftliche, pseudo-feministische Kampfschrift präsentieren möchte.

Kurz zusammengefasst: Stoverock ist der Überzeugung, dass Female Choice bis zur Sesshaftwerdung auch für den Menschen galt. Da die Frauen die Alpha-Männer bevorzugten, so ihre These, hatten bis zu 80% der Männer naturgemäß keinen Zugang zu Sex. Sie unterdrückten deswegen die Frauen und erfanden die Ehe, um ihren Triebinstinkt zu befriedigen. Dank Babypille und Bildung können Frauen nun aber endlich wieder selber entscheiden, mit wem sie sich paaren möchten. Dadurch muss eine wachsende Gruppe von Männern unfreiwillig enthaltsam leben und wird zur Gefahr für die Gesellschaft.

Stoverocks größtenteils unbelegten, oft kruden Behauptungen sind ohne ausweisende Literaturhinweise und kommen so locker-flockig daher, dass sie nicht ernst genommen werden müssten, wären da nicht die hanebüchenen Schlussfolgerungen. Das Buch habe ich an der Stelle weggelegt, als Eltern und Lehrkräfte allen Ernstes dazu animiert werden, nicht begehrenswerte Jungen frühzeitig zu identifizieren, um sie bestmöglich auf ein Leben ohne Partner mit Sexpuppen, Pornos und Prostituierten vorzubereiten. Keine Ahnung wer sowas lesen mag. Meine Kopie von „Sons and Lovers“ hätte mein jüngeres Ich heute wahrscheinlich für 6,50 Euro bei Amazon verkauft. Das Buch „Female Choice“ ist meiner Meinung nach keinen Pfennig wert.

Meike Stoverock: Female Choice. Klett Cotta / Tropen 2021, 351 Seiten, 22,- Euro.

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